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RUDI

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Foto: Martin Diesch, Text: Bastian Modrow

„Ich zeige Gesicht - für mich und alle anderen“

 

Langsam - ganz langsam - erwacht die Kunst- und Kultur-Szene Wiens wieder aus dem viel zu langen und unfreiwilligen Corona-Schlaf. Einer ist bereits putzmunter und voller Tatendrang: Rudi Hübl, Plakatkleber und Fotomodell der Kampagne „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“. 

 

„Es ist schön, wenn es jetzt wieder losgeht, mehr und mehr Leben in Bars. Cafés und Clubs zurückkehrt. Es herrscht so etwas wie Aufbruchstimmung“, sagt der 65-Jährige.

 

Es begann als Studentenjob

 

Rudi ist einer von nur noch vier, fünf Vertretern seiner Zunft in Wien. Er klebt Plakate - „für Ausstellungen, für Konzerte, für Kulturveranstaltungen aller Art“. Seit 1984 ist er in der österreichischen Hauptstadt unterwegs - mit Plakatrollen, Klebeecken und ausreichend Tapetenkleister. „Damals war ich Student der Völkerkunde und suchte einen Nebenjob“, erinnert sich Hübl, der eher zufällig auf die Offerte stieß, die sein berufliches Leben maßgeblich bestimmen sollte. „Es wurde ein Plakatier gesucht - für ein Doppelkonzert von Santana und Bob Dylan, das relativ kurzfristig und spontan in Wien stattfinden sollte.“ Rudi bewarb sich, bekam den Job - und tauschte ihn nie wieder ein. 

 

Jahrzehntelange Freundschaften

 

„Es gefiel und gefällt mir, mir die Zeit selbst einzuteilen, wann ich arbeite. Ich liebe es, durch die vielen Künstlerkneipen Wiens zu ziehen, mich in der Szene zu bewegen“, sagt er und schwärmt von den vielen Freundschaften, die sich über die Jahrzehnte entwickelt haben. Zu denken, das Plakatieren auf staatlichen und wilden Werbeflächen sei ein lauer Job, den belehrt Rudi eines besseren: „Eine 60-Stunden-Woche waren und sind keine Seltenheit - streng genommen bin ich ein ganz schöner Selbstausbeuter.“

 

Collagen aus Plakaten

 

Doch er liebt seine Arbeit, die für ihn weit mehr ist - die vielleicht sogar etwas wie eine Mission und sogar eine eigene Form der Kunst ist. „Ich habe irgendwann begonnen. Collagen aus Plakaten zu machen - meine erste bestand aus Elton John und irgendeiner Schlagertussi.“ Rudi Hübl bezeichnet dies als „schemenhaften Zugang zur Plakatkunst“. 

 

Plakatwürste als Sammlerobjekt

 

Große Bekanntheit erlangte das „Wiener Original“, was er für viele ist, Mitte der 2010er-Jahre aber durch seine Würste. „Plakatwürste“, korrigiert Rudi und meint seine aus bedrucktem Papier und reichlich Tapetenkleister geformten Salamis mit den Konterfeis bekannter Zeitgenossen. „Es gibt eine Sissi-Wurst, eine mit Maria Theresia oder Franz Ferdinand“, zählt er auf. Wie er auf die Idee dazu kam? „Wir Österreicher sind - nicht nur durch Mozart oder Klimt - wahrlich eine Kulturnation, was viel zu vielen Zeitgenossen schlichtweg Wurst ist.“ Ein Missstand, den der 65-Jährige plastisch umsetzte und damit ein bei Sammlern begehrtes Kunstobjekt geschaffen hat. 

 

Rudi klagt nicht - trotz Pandemie

 

Die Corona-Pandemie traf ihn ebenso unvermittelt und hart wie alle anderen Kunst- und Kulturschaffenden - wobei: Ein Klagelied stimmt Rudi Hübl nicht an. Im Gegenteil: Er versucht auch aus dieser Krise etwas Positives für sich herauszuziehen. „Ich habe vor Covid-19 immer gut verdient und hatte etwas Geld zur Seite gelegt. Das hat meiner Familie und mir geholfen.“ Und mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: „Außerdem muss man doch fragen, wie viele Menschen außer mir in den Genuss gekommen sind, ein Jahr vor der Pensionierung noch ein Sabatical genießen zu können.“

 

Der Plakatkleber als Plakatmotiv

 

Dass es vielen anderen Künstlern weitaus schlechter ging und geht, das weiß er. Darum habe er auch keinen Moment gezögert, als er gefragt wurde, ob er für die Kampagne „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“ vor der Kamera posieren würde. „Als ich dann mein Plakat in Wien hängen sah, war das schon etwas Besonderes - eine Ehre, stellvertretend für meinen Berufsstand und die vielen anderen Gesicht zeigen zu dürfen.“  

 

Mit dem Sinken der Corona-Zahlen kehrt wieder mehr und mehr Leben ins kulturelle Wien zurück. Auch Rudis Auftragsbücher füllen sich. „Endlich, ich freue mich“, sagt er und packt schon einmal eine Großpackung Klebeecken in seine Tasche für die nächste Tour.

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